1984 erschien „Wege ins Paradies“ von André Gorz, der darin an das Produktivkraftkapitel der „Grundrisse“ von Karl Marx anknüpfte. Er entwickelte darin das Konzept eines Einkommens auf Lebenszeit, das unabhängig von der Lohnarbeit ist. Dieses Konzept des BGE knüpft daran an:
BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN
(von Rosa G., geschrieben 2017 für die BASTA!-Erwerbslosenschule und von mir – Alinka – leicht bearbeitet )
Am 24.5.2019 – dem „CimateActionDay – hatte ich (A.S.) später noch ein langes Gespräch mit einer Nachbarin aus der Lausitz über den Kohleausstieg. Ich habe ihr versucht zu erklären, dass bei Erhalt des BGE die Menschen, die in den zu transformierenden Industriezweigen (wozu ja auch der Kohleabbau in der Lausitz gehört) arbeiten – wie alle anderen das BGE erhalten sollten, um auf dieser Basis – zusammen mit den zu gründenden Räten und beratend von z.B. „ScientistsForFuture“ – eine Alternative zu entwickeln.
Doch nun zum Text auf Basis der Erfahrungen mit HartzIV:
Wer in den letzten zwölf Jahren das Pech hatte, in die Fänge der „HARTZ-IV-Diktatur“ (1) (Buchtitel von Inge Hannemann 2015) zu geraten, weiß aus persönlicher Erfahrung, daß es mit den angeblich „höchsten Rechtsgütern“ der Bundesrepublik Deutschland nicht (mehr) allzu weit her ist: „Freiheit“ und „Menschenwürde“ sind für HARTZ-IV-Betroffene de facto suspendiert.
In diesem Zusammenhang werden wir im Rahmen der BASTA!-Beratung des öfteren auf das so genannte BEDINGUNGSLOSE GRUNDEINKOMMEN (BGE) angesprochen – ein Begriff, der sporadisch immer mal wieder durch die Presse geistert. Schon der unmittelbare Wortsinn deutet an, dass hier ein „Einkommen“ gemeint ist, das ein menschenwürdiges Leben ermöglicht – OHNE nervende Bedürftigkeitsprüfung oder die heute noch alltäglichen Terrormaßnahmen der JobCenter zur Aufnahme irgendeiner Lohnarbeit, meist irgendwelcher „Bullshit-Jobs“ oder die berüchtigten und immer wieder neu aufgelegten „Kompetenzfeststellungsmaßnahmen“ mit Bewerbungstrainings.
Im Jahr 2016 hat das Projekt „Geld fürs Nichtstun“ (DER SPIEGEL) tatsächlich -noch experimenrelle -praktische Formen angenommen: In Berlin verlost eine Initiative (mein-grundeinkommen.de) jeweils 12.000 Euro Spendengeld als Jahres-BGE an angemeldete Bewerber*innen; in Utrecht (Holland) betreibt Vizebürgermeister Everhardt die Verteilung eines „Minimaleinkommens“ an zunächst 250 Versuchspersonen (DER SPIEGEL v. 02. 04. 2016); im französischen Präsidentenwahlkampf befürwortet aktuell der „partie socialiste“-Kandidat Benoit Hamon ein „BGE für ALLE“ (wenn auch auf kriminell niedrigem Niveau: 750 Euro/Mon.); in der Schweiz gab ́s im Juni sogar schon eine Volksabstimmung zur Verankerung eines BGE in der Verfassung -die immerhin rund 23 Prozent Zustimmung erhielt. Die Mehrheit der Schweizer*innen -und nicht nur die (!) -hält das existenzsichernde (bedingungslose) Grundeinkommen offensichtlich (noch) für illusionär.
Gleichwohl wird auch in führenden Wirtschaftskreisen laut darüber nachgedacht. So äußerte beispielsweise SIEMENS-Chef Joe Kaeser im November 2016, er halte „eine Art Grundeinkommen“ für „völlig unvermeidlich“. Auch beim Davoser „Weltwirtschaftsforum“ im Januar 2017 befürworteten diverse Referent*innen entsprechende Überlegungen.
In der Gedankenwelt von Konzernlenkern oder Weltwirtschaftsexperten steht selbstverständlich weniger die „Würde“ von Fahrrad-Kurieren oder HARTZ-IV-ler*innen im Zentrum des Nachdenkens, sondern vielmehr die Minimierung von „Kosten“- seien es nun die „Arbeitskosten“ im eigenen Betrieb, die Kosten staatlicher Verwaltung oder allgemein die „Kosten der Arbeitslosigkeit“.
Dass die Begleichung solcher „Kosten“ NOTWENDIG ist für das Funktionieren von „Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht“ (Karl Marx, erster Satz „KAPITAL“), dämmert nur den wenigsten. Das Grundprinzip dieser „Produktionsweise“ besteht bekanntlich darin, durch möglichst rationelle Anwendung von möglichst niedrig bezahlter Lohnarbeit möglichst große Stückzahlen hochwertiger Produkte auf den Markt zu werfen – und durch den Verkauf der Ware einen Profit zu erzielen.
Sobald nun dieser „Markt“ zu 99 Prozent aus schlecht bezahlten Lohnarbeiter*innen besteht UND keine neuen Märkte mehr erschlossen werden können, entsteht daraus ein Problem:
Die produzierten Waren landen zunehmend auf der Halde, der Gebrauchswert kann sich nicht in Tauschwert verwandeln, der erstrebte Profit nicht realisiert werden.
Auf sozialer Ebene bedeutet dies: Materielle Armut und soziale Verelendung nehmen zu.
Soziale und politische „Kosten“ von Armutsverwaltung (darin enthalten die Gesundheitskosten, die durch materielle Armut und gesellschaftliche Verelendung hervorgerufen werden) und/oder Sicherheit werden weiter steigen; militärische Aufrüstung wird hier wohl wenig ausrichten… — Es sei denn man bezieht sich auf den Satz eines Theoretikers, der folgendes sinngemäß schrieb: „Der Herr Kapitalist ist so blind und so versessen auf den Profit, dass er einem Henker für Extraprofit den Strick verkauft, an dem er kurz danach selbst aufgeknüpft wird“. Doch dieser Theoretiker irrte, denn der Kapitalist lässt die Henker ebenfalls für sich arbeiten und spendet obendrein einen Teil seines Ertrages an die Bluthunde des Kapitals, die Faschisten, wenn er das Vertrauen in die liberale Demokratie verloren hat…
Die Erfahrungen haben wir im letzten Jahrhundert gemacht. Gemäß Lion Feuchtwanger in „Erfolg“ propagierte der GröFaZ im Münchner Hofbräuhaus, dass er seine Feinde völlig legal liquidieren lassen würde. Und so war es ab 1933 auch: mit Eroberung der Staatsmacht durch die NSDAP, GeStaPo und SD wurden Verordnungen erlassen, die die auf Kapitalproduktion beruhende Gesellschaft in ein Massenmordsystem verwandelten.
Je mehr Kapital wir „unseren Herren“ überlassen, umso mehr Kapital haben sie zur Verfügung, von denen sie Massenmörder – auch wenn sie sich als „Rechtspopulisten“ sehen – verdingen können.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen in wirklich existenzsichernder, angemessener Höhe könnte dem – und der sich androhenden militärischen Balgerei um Rohstoffe und Absatzmärkte bzw. Territorien für Kapitalexport – Einhalt gebieten.
Als Maß für die Angemessenheit darf allerdings NICHT eine irgendwie berechnete „Bedürftigkeit“ – wie bislang bei HARTZ IV – herangezogen werden, sondern die Leistungsfähigkeit der Gesamtgesellschaft, d.h. ein angemessener Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts (weitgehend gleich dem jährlich bekanntgemachten „Bruttoinlandsprodukt“ BIP) wird ohne Ansehen der Person pauschal an ALLE verteilt – um den Verkauf des restlichen (Waren-)Produkts sollen sich die einzelnen Unternehmungen weiter „im Wettbewerb“ balgen wie bisher. Zur Höhe dieses BGE habe ich bereits vor Jahren mal die Hälfte des BIP vorgeschlagen – nach den Zahlen von 2008 (also VOR der großen „Finanzkrise“) – wären das exakt 1265 Euro pro Person und Monat gewesen.
In den bisherigen Diskussionen um ein BGE – in welcher Höhe auch immer -bleibt die Frage „Wer soll das bezahlen?“ gar nicht oder zumindest unbefriedigend beantwortet. „Der Staat“ in seiner notorischen Überschuldung wird wohl weder bereit noch in der Lage sein, zusätzlich zu den laut Maastricht-Kriterien „erlaubten“ Schulden in Höhe von 60% des BIP mal eben weitere 50% aufzunehmen. Es bleiben also die privaten Geldbesitzer, die in der Summe über ein „Geldvermögen“ in Höhe des zweifachen deutschen Jahres-BIP (aktuell rund 7000 Milliarden Euro) verfügen. DIESE “Sparer” sparen allerdings nicht auf die Renovierung von „Oma ihr klein Häuschen“, sondern DAS sind Industrie-und Verkehrsbetriebe, Strom-und Wasserversorger, Gesundheitskonzerne etc., die darauf sparen, ihr technisches Equipment nach Ablauf von durchschnittlich 15 Jahren (Statistisches Jahrbuch der BRD 2010) Gebrauchs- bzw. Abschreibungszeit zu erneuern.
DIE könnten aus ihren „Amortisationsfonds“ locker monatlich 1.500 mal 83 Millionen, also rund 125 Milliarden, Euro abdrücken – zumal ihnen dieses Geld in kürzester Zeit aus dem normalen Warenverkauf zurückströmt. Nach Berechnungen von 2018 beträgt die Hälfte des BIP aktuell 1.700 pro Person und Monat. Nach den Zahlen von 2018 (veröffentlicht am 15. Januar 2019) müsste das entsprechende BGE 1.700 € pro Person und Monat betragen, was sich zu insgesamt 140 Milliarden aufsummiert.
Die Zeit, die dadurch den gesellschaftlichen Individuen zur Verfügung steht, könnte genutzt werden, um die Transformation der Gesellschaft voranzutreiben, damit sie sich sowohl den Kriegen widersetzt als auch um die Klimakatastrophe abzuwenden.
(1) Wobei „natürlich“ festzustellen ist, dass das Kapital eine Totalität ist und wir unter der Gesamtheit der Diktatur bzw. dem Kommando des Kapitals (Ware-Geld-Beziehung) leben und HartzIV die Kosten der Ware Arbeitskraft unter ihren Wert drückt. Das bedeutet: Vernichtung durch Arbeit bzw. durch Überarbeitung, wodurch gefährliche Unfälle zunehmen: Nicht nur die „Einschlafstörung des FlixBusFahrers auf der Fahrt von Berlin nach München, sondern auch zunehmende „Kunstfehler“ im Gesundheitswesen.