Ich las gestern den Artikel von Laura Meschede über ihre Arbeit als Click- und Crowdworkerin für „Amazon Mechanical Turk“ und war tief beeindruckt. Ihr ist ein journalistisches Glanzstück gelungen. Dies vor allem deshalb, weil sie immer wieder ihre Arbeit und den Sinn davon reflektiert(e). Der Artikel beginnt mit
„In einem kleinen Büro am Rande einer indischen Schnellstraße sitzen drei Frauen an veralteten Lenovo-Laptops und tippen Kassenzettel ab. Wofür? Das wissen sie nicht. Sie wissen nur: Mit jedem abgetippten Kassenzettel verdienen sie 0,03 Dollar. Die Frauen sind meine Kolleginnen – und meine Konkurrentinnen im Kampf um den nächsten Auftrag.“
Und es sind weiter unten folgende Reflexionen von ihr im Artikel zu finden:
Eigentlich, denke ich, während ich den siebzehnten Kassenzettel des Tages abtippe, bin ich als Turkerin nichts anderes als eine moderne Fließbandarbeiterin: So wie in der Industrialisierung Tausende Menschen am Fließband mechanische Webstühle zusammengebaut und bedient haben, statt wie zuvor als Weber zu arbeiten, so tippe ich Quittungen ab, statt wie eine Sekretärin den ganzen Vorgang einer Spesenabrechnung zu übernehmen.
Man kann nicht nichts denken, meint die Wissenschaft. Ich sage: Die Forscher haben nie bei Mechanical Turk gearbeitet. Wenn ich einige Stunden lang eine bestimmte Aufgabe bearbeite, ist mein Kopf leer. Meine Hand mit der Maus malt die Umrisse von Gebäuden nach, einmal, zweimal, siebzehnmal, irgendwann tut sie weh, und ich denke: nichts.
Das global agierende – und Arbeiterskräfte rekrutierende – Amazon-Unternehmen ist lt. Recherchen von Journalisten*innen, wie u.a. Hakan Tanriverdi und Mirjam Hauck für den Datenmissbrauch von Facebook und Cambridge Analytica in hohem Grade mit verantwortlich. So schreiben sie es in „Öfter mal die Apps checken„:
Wie ist Cambridge Analytica an die Daten gekommen?
Die Daten hat der britische Professor Aleksandr Kogan von der Uni Cambridge eingesammelt und sie an Cambridge Analytica weitergegeben. Das geschah über die von ihm entwickelte Facebook-App „thisisyourdigitallife“, das ist dein digitales Leben. Sie war beim Online-Netzwerk als wissenschaftliche Persönlichkeitsforschung angemeldet worden. Über Amazon Turk – einen Marktplatz für digitale Tagelöhner – bot er amerikanischen Nutzern bis zu zwei Dollar an, wenn sie einen Fragebogen ausfüllen. Einzige Bedingung: Sie mussten diese Facebook-App herunterladen.
Dies bedeutet: Kogan war „Boss“ für das Projekt auf Amazon Turk, die von Facebook zur Verfügung gestellt wurde. Eine Radikalisierung der Gesellschaft kam durch die Art und Weise zustande, wie Facebook die Nutzerdaten benutzt. Simon Hurtz beschreibt dies in „Der blaue Riese wankt“ in Rekurs auf Propublika-Dokumentationen und weiteren Recherchen dieses Onlineportals, das sich für seriösen Journalismus einsetzt.
(..) Makler konnten Immobilienanzeigen schalten und dabei Afroamerikaner ausschließen. Facebook ermöglichte es Seitenbetreibern, gezielt Antisemiten oder Rassisten anzusprechen. Im Anzeigenmanager ließen sich Interessen wie „Ku-Klux-Klan“ oder „Wie verbrennt man Juden“ auswählen . (…)
Ich hatte vor einigen Jahren, als ich den Facebook-AdBlocker nicht richtig konfiguriert hatte, plötzlich eine „gesponserte“ Anzeige für die Teilnahme an einer NPD-Demo auf dem „Schirm“, die höchst wahrscheinlich allen „angeboten“ wurde, die sich zum Thema „Flüchtlinge“ oder „refugees“ geäußert hatten.
Verantwortlich dafür sind nicht nur Facebook und Cambridge Analytica, sondern ist vor allem das Unternehmen, dessen Arbeitsmethoden Laura M. sehr anschaulich und eindringlich beschreibt. Es ist die Hölle der „smarten“ mentalen, psychischen und physischen Ausbeutung durch die IT, die von dem CIA-Mann Jeff Bezos gesteuert wird und der damit zum reichsten Plutokraten von Technopatria wurde.