Zur Aktualität des bedingungslosen Grundeinkommens in der Corona-Krise

In Ergänzung zur Petition von Tonia Merz sei daran erinnert, dass bereits vor knapp 10 Jahren, am 5. November 2010, allen Abgeordneten des BT ein offener Brief (in Papierform) zugestellt wurde, mit der dringenden Aufforderung „umgehend eine Gesetzgebung einzuleiten“ mit dem Ziel, „allen Einwohner*innen der Bundesrepublik Deutschland“ die Hälfte des jeweils letztjährigen Brutto-Inlands-Produkts (BIP) in Form eines monatllichen Grundeinkommens auszuzahlen.
Als Begründung wurde – unter Bezugnahme auf den 2. Band des Kapitals von Karl Marx – zu zeigen versucht, dass dieses BIP tatsächlich vollständig in Form von „Konsumtionsmitteln“ am Markt erscheint und offensichtlich auch gekauft und konsumiert wird. (Dieser Brief wird weiter unten dokumentiert.)

Das Problem bestehe darin, dass bei der heute erreichten industriellen Arbeitsproduktivität vielfach mehr Produkte am Markt vorhanden seien, als die an der Produktion beteiligten Arbeiter*innen als Lohn erhalten. Um diese Produktmassen zu verkaufen, muss – laut Karl Marx – aus der Industrie selbst „Geld in Zirkulation geworfen werden“ das „später“ als Verkaufserlös zurückströmt.

In der aktuellen „Coronakrise“ versuchen Staat und Zentralbank ähnlich wie in der „Finanz- und Eurokrise“ mit reichlich vielen Euros die „Realwirtschaft“ vor allzu heftigen Folgen der Krise zu schützen. Von Seiten der Bundesregierung werden Beträge bis zu einer halben Billion – alias 500 Milliarden – genannt, die an Zuschüssen und Krediten zur Verfügung stünden; die Europäische Zentralbank (EZB) will nochmal das doppelte locker machen.

Sofern nun ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ auf Basis dieser Zahlenangaben berechnet werden sollte, dann würden diese genannten 1.500 Milliarden für 500 Millionen Europäerinnen gerade mal drei Monate (a 1000 Euro) reichen.

Sofern jedoch unsere Forderung nach einem BGE in Höhe der Hälfte des BIP umgesetzt wird/würde, erhält jede Einwohner*in – allein Deutschlands – monatlich fortlaufend 1.710 €, was sich monatlich auf rund 142 Milliarden aufsummiert/-summieren würde.

Finanziert werden könn(t)en diese dann etwas weniger bescheidenen Ausgaben aus DEM gesellschaftlichen Fonds, in dem sich als EINZIGEM solch astronomischen Geldsummen ansammeln: dem „Vermögens- bzw. Umsatztopf“ der Kapitaleigner.

Denn: Mit dem normalen Warenverkauf tröpfelt bei allen Wirtschaftsunternehmen ein gewisser Geldbetrag auf das Umsatzkonto, der erst sehr viel später für den Ersatz des technischen Equipments der jeweiligen Firma gebraucht wird. In diesem Zeitraum (laut Statistischem Jahrbuch der BRD durchschnittlich 15 Jahre) sucht dieses Geld eine Anlagesphäre, in der es als Kapital (gegen „Profit“ oder „Zins“) fungieren kann. Spätestens seit der großen „Krise“ im vorletzten Jahrzehnt (2007 ff.) ist diese Suche weitgehend erfolglos, wie das Gejammer der Geldbesitzer über „fehlende Zinsen“ belegt.

Weniger erfolglos könnten die Eigentümer des „privaten Geldvermögens“ (in Deutschland laut Bundesbank rund 6.500 Milliarden !) ihr Geld in Gewährung eines BGE für alle in Höhe des halben BIP anlegen: Dann könnten sie zumindest einen Teil ihrer gewöhnlichen (industriellen) Umsatzrendite einfahren. Gesamtgesellschaftlich wäre dann das Problem von Armut, Kriminalität und vieles mehr stark vermindert.

Brief an die Abgeordneten im Bundestag:

1265 Euro Grundeinkommen für ALLE!

aus: Der Kiezbote, September 2009

Die Selbstwahrnehmung unseres Stadtteils pendelt zwischen „Problemkiez“ aus Armut und Alkohol und einem – nun ja – funktionierendem multikulturellen Mit- oder besser Nebeneinander. Beide Sichtweisen lassen ein eher resigniertes Sich- Abfinden mit dem Bestehenden erkennen.

Nach den offiziellen Daten leben mehr als 60 Prozent aller Kinder in Armut; rund ein Drittel der EinwohnerInnen beziehen „Transfereinkommen“ auf HARTZ-IV-Niveau. In ganz Wedding summieren sich „Arbeitslose insgesamt“ plus „nicht arbeitslose Bedürftige“ zu mehr als 45 Prozent der Wohnbevölkerung. Nicht mitgezählt sind RentnerInnen oder jene knapp über dem ALG-II-Level Entlohnten, die keinen Zuschuss vom Jobcenter erhalten, bzw. erst gar keinen Antrag gestellt haben. Am 10. August 2009 berichtete der SPIEGEL ausführlich vom „Dorf der Zukunft“ – am anderen Ende der Welt: Dort, in diesem namibischen Dorf wird seit etwa einem Jahr an ausnahmslos ALLE ab der Geburt ein „Grundeinkommen“ ausgezahlt, das zumindest die elementaren Lebensbedürfnisse abdeckt. Wo sich früher viele Frauen prostituierten, um die Kinder notdürftig durchzubringen, und die Herren sich oft mit Alkohol betäubten, blüht nun – ansatzweise – ein selbstbestimmtes Leben: Kinder sind weit weniger unterernährt und besuchen zu 92 Prozent die Schule, Frauen besorgen Stoffe und nähen eigene Kleider.

Auch in Deutschland wird seit einigen Jahren öffentlich darüber debattiert, ob ein solches „Grundeinkommen für Alle“ sinnvoll sein könnte. Die Debatte ist polarisiert zwischen Personen, die vornehmlich menschenwürdige Lebensbedingungen für alle anstreben, und andererseits solchen, die vorrangig die „Kosten“ des Sozialstaats optimieren wollen.

So hält beispielsweise Thüringens Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus 600 Euro netto für angemessen; der Drogerie – Unternehmer Götz Werner möchte den BürgerInnen das Zweieinhalbfache davon – 1.500 Euro – zur Verfügung stellen. Wir von Armut Betroffenen interessieren uns weniger für die zur Debatte stehenden absoluten Euro – Beträge, als vielmehr dafür, ob und wie wir unsere materiellen Grundbedürfnisse – Nahrung, Kleidung, Waschpulver etc. bis zum Kinderspielzeug – befriedigen können.

Wirtschaftswissenschaftlich betrachte müsste es ein „Gleichgewicht“ geben zwischen der Lebenssubstanz der Gesamtgesellschaft, den insgesamt vorhandenen Verbrauchsgütern und der Summe des für Konsumzwecke verfügbaren Geldes. Karl Marx leitet logisch her, das „gesamte Wertprodukt einer Gesellschaft“ erscheine in der „Naturalform von Konsumtionsmitteln auf dem Markt“. Auf empirischer Grundlage ermittelt das Statistische Bundesamt, immerhin zwei Drittel des Brutto-Inlands-Produkts (BIP) würden „privat“ konsumiert.

Beide Aussagen behaupten eine zumindest wertmäßige Identität von „gesellschaftlicher Produktion“ und dem „Konsumtionsfond“ (Marx), beziehungsweise dem „Volkseinkommen“, wie das BIP umgangssprachlich auch genannt wird: Was beim Gang des Getreides vom Feld durch Mähdrescher, Mühle und Bäckerei in die Mägen der Menschen noch unmittelbarer einsichtig ist, wird bei „globalisierten“, das heißt weltumspannenden und vielfach verflochtenen Produktions– oder „Wertschöpfungsketten“ recht unübersichtich. Gleichwohl erscheint am Ende jeglicher „Wertschöpfungskette“ ein Produkt, das in sich lebendige Arbeit, sowie den „Wert“ aller verarbeiteten und benutzten „Produktionsmittel“ (wie Werkzeuge und Maschinen) verkörpert.

Dem Umfang nach betrug das deutsche BIP im Jahr 2008 rund 30.400 Euro pro EinwohnerIn, also 2.530,- im Monat, oder das siebenfache dessen, was einer HARTZ- IV- Betroffenen – zum „Verprassen“ zugebilligt wird; selbst die zwei Drittel davon, die laut Statistischem Bundesamt tatsächlich ausgegeben und „privat“ verkonsumiert werden – das wäre genau 1.686, 66 Euro pro Person – erscheinen UNS rätselhaft: WO, bitteschön!, lebt diese vierköpfige (Durchschnitts-) Familie mit 6.750 Euro (netto!) , oder das Rentnerpaar mit mehr als 3.300,- ? Götz Werner, der politisch eher zweifelhafte Befürworter eines großzügigen Grundeinkommens, sieht die „Wirtschaft“ in der Pflicht, die Gesellschaft – gemeint sind „VerbraucherInnen“,- auch mit dem nötigen Kleingeld auszustatten. Zumindest darin trifft er sich mit Karl Marx: Diesem zufolge müssen „Kapitalisten“ – bei Marx stets „Industrielle“- ZUSÄTZLICH zum „produktiven Kapital“ GELD „in Zirkulation werfen, das ihnen später“ als (Verkaufs-) Erlös des unentgeltlich produzierten „ Mehrwerts“ zurückströmt (KAPITAL, Bd. II, S. 398ff – eine Passage, die NICHT NUR Professor Hans-Werner SINN bei der Rezeption dieses Buchs schlicht zu übersehen pflegte/n/).

Seit dem Niedergang des so genannten „Rheinischen Kapitalismus“ hat sich die industrielle „Arbeitsproduktivität“ in Deutschland rund verdoppelt, das heißt die verbliebenen „Arbeiter“ fertigen pro Stunde die zweifache Menge Produkt. Um diese zusätzlichen Massen zu verkaufen, müsste die Bourgeosie – total systemimmanent(!) – auch mehr Geld „in Zirkulation werfen“.

Anstatt den eigenen Umsatz zu fördern, erheben „die Kapitalisten“ ein fürchterliches Geschrei über „zu hohe Arbeitskosten“ etc. pp. Doch unabhängig von der „Berechtigung“ solchen Sirenen – Geheuls aus Industrie und Mittelstand wären die seit September 2008 von Europäischer Zentral- und/ oder Bundesbank als „Liquiditätsspritze“ in den Bankensektor gepumpten reichlich 500 Milliarden Euro vollkommen hinreichend, ein „Grundeinkommen für Alle“ in Höhe des halben BIP pro Kopf anzuschieben. Aber: Den Ausführungen von Bundesbankpräsident Axel Weber in der ZEIT vom 20. August 2009 zufolge sollen DIESE Milliarden genau NICHT in Form von gesundem Essen und sauberer Kleidung beim gemeinen Volk ankommen. Vielmehr werden sich die zukünftig einer „verschärften Regulierung“ zu unterwerfenden Banken verstärkt auf „sichere“ Investments konzentrieren – nämlich vornehmlich „Schloss-Allee(n)“ und „Wasserwerk(e)“ im globalen MONOPOLY – Casino ankaufen.

Rosa G.

Anbei weitere Nachrichten zum Thema :

Petition an den Bundestag: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2020/_03/_14/Petition_108191.nc.html

Armutsrevolten in Süditalien erzwingen Grundeinkommen, Labournet, 30.03.2020
Es braucht die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen, TSP, 29.03.2020
Gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise: Bedingungsloses Grundeinkommen, jetzt!, FR, 25.03.2020
Am Donnerstag wird digital für bedingungsloses Grundeinkommen auf Twitter demonstriert, LIZ, 26.03.2020 
Twitter-Demo für das Grundeinkommen (Twitter-online)
Freiberufler fordern bedingungsloses Grundeinkommen – jetzt, rbb24, 24.03.2020

 

Über Alinka

I'm struggling for a good future for y-our (your/our) children. Ich bemühe mich um eine gute Zukunft für unsere Kinder. Wir haben nur EINE Erde auf der wir leben. We all are sisters and brothers, children and parents. Wir sind alle Schwestern und Brüder, Kinder und Eltern. We have only ONE earth !
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