Zur Zeit findet eine neue Bücherschwemme statt, die schon vor Weihnachten zu konstatieren war: Die Luther-Bibel wurde in großer Auflage neu herausgegeben und kündigte das diesjährige „Luther-Jahr“ an. Dem schließt sich ein Luther-Kult an.
Völlig vergessen wird dabei, dass es in dieser Zivilisation die Aufklärung gab und dass auch Karl Marx zu den Aufklärern über das Wesen der politischen Ökonomie gehört. Immerhin hat sein Werk „Das Kapital“ ebenfalls in diesem Jahr 150jährigen Geburtstag, wird jedoch – verglichen mit Martin Luther – mehr in Randnotizen und durch den Film „Der junge Karl Marx“ – gewürdigt.
„Ist das Kapital noch aktuell“? wurde kürzlich in einer Sendung des Deutschlandfunks gefragt. Solch eine Frage würde ich gern mal in Bezug auf die Bibel und Martin Luther hören. Denn immerhin ist das Werk von Marx und Engels viel jüngeren Datums, d.h. wesentlich aktueller als das von Martin Luther.
Und so google ich also nach Spurenelementen im www, die das Werk von Karl Marx würdigen und stoße auf einen Beitrag von Mathias Greffrath. Zunächst stimme ich ihm überwiegend zu, stoße dann allerdings auf folgenden Absatz:
Und vulgärökonomisch in diesem Sinne wäre nicht nur die Theorie der drei Produktionsfaktoren Kapital, Grundeigentum und Arbeit mit ihren Einkommensquellen Profit, Pacht und Lohn, sondern auch die neueste Theorie über einen vierten Faktor: das Wissen.
Es geht um die Produktion von materiellem Reichtum. Dies bedeutet 1. Produktion von Produktionsmittel und 2. Produktion von Konsumtionsmitteln. Das Kapital beschreibt auch, aber erst am ende des MEW 23, sozusagen als Rückschau mit empirischen Belegen – ausgehend von der „ursprünglichen Akkumulation“ – wie sich die Agrarindustrie entwickelte, d.h. der Boden ein Produktionsmittel für den entstehenden Kapitalismus wurde. Alles – auch der Grund und Boden – wird im Grund zu Kapital. Kapital ist eine Totalität, die auch die menschlichen Beziehungen zueinander bestimmt. Die menschliche Arbeitskraft, egal, ob sie in der Agrarindustrie oder den Manufakturen/Fabriken ausgebeutet wird, ist der Faktor v im Produktionsprozess, dem das konstante/fixe Kapital in Form des Fabrikgebäudes und der Maschinerie gegenüberstehen.
Die Bodenrente (Pacht), die ein Fabrikant dem Grundbesitzer zahlen muss, sind Unkosten für das fungierende Kapital. Zu den Unkosten zählen ebenfalls die Zinsen auf Kredite, die der Fabrikant dem Finanzkapital zu zahlen hat. Dies bedeutet: Die Arbeiter*innen ernähren nicht nur die Fabrikanten, sondern auch die Grundrentner und die Bankiers, da der Mehrwert zur Springquelle des gesellschaftlichen Reichtums wird, aus dem sich dann auch der Zins speist. Die Quelle des Reichtums liegt also in der lebendigen Arbeitskraft. Dies betrifft auch Grund und Boden, in dem Bodenschätze lagern. Denn ohne die lebendige Arbeitskraft könnten die Bodenschätze nicht in Waren umgewandelt werden und schon zur Gewinnung und zum Abbau von Mineralien oder Energiequellen muss lebendige Arbeitskraft eingesetzt werden. Ohne Zweifel liegt die Ursache des Elends der Menschheit im Privateigentum und Marx beschreibt in seinem Werk auch immer wieder den „Expropriationsprozess“ kleiner und schwächerer Eigentümer, der dem Kapital immanent ist und in noch überwiegend agrarischen produzierenden Ländern dieses Planeten als „Landgrabbing“ bezeichnet wird.
Leider wird Mathias Greffrath ab seiner Abhandlung zur Vulgär- bzw. „Wissensökonomie“ selbst immer mehr zum Vulgärökonomen und setzt Wissen innerhalb der permanenten technologischen Revolution als neuen Produktionsfaktor. Da war jedoch Hans-Jürgen Krahl um einiges weiter. Er schrieb:
Der Übergang vom Konkurrenz- zum Monopolkapitalismus führt, wie in der Kritik der politischen Ökonomie von Marx und Engels selbst angedeutet, zu einer Vergesellschaftung des kapitalistischen Privateigentums auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsweise selber und zu einer Vergesellschaftung der produktiven Arbeit auf dem Boden der Lohnarbeit. Die von Marx und Engels angedeuteten möglichen geschichtlichen Endpunkte des Kapitalverhältnisses sind die aktiengesellschaftlichen Unternehmungsformen – gleichsam als gesellschaftlicher Urtypus des monopolen Privateigentums – und die technologische Umsetzung der Wissenschaften ins kapitalfixierte Maschinensystem (Hervorhebung von mir) (vgl. Kapital 3, Kap. 27, Rohentwurf S. 584 ff.).
Das Klassenbewußtsein der Kapitalisten politisiert die instrumentelle Vernunft im Hinblick auf ihre autoritär technokratischen Konsequenzen. Herrschaft wird legitimationsunfähig.
Eine der hervorstechendsten Eigenschaften der reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital ist die bewußte „Anwendung der Wissenschaft, dieses allgemeinen Produkts der gesellschaflichen Entwicklung auf den unmittelbaren Produktionprozeß.“ (Marx, Resultate, 50, Frankfurt 1969)
III. Die objektive Integration relevanter Teile wissenschaftlicher Intelligenz in den produktiven Gesamtarbeiter macht diese noch nicht zu bewußten Proletariern.
weiter auf: „wissenschaftliche Intelligenz“ von K.-H. Krahl
Es wäre gut, an die Analyse von K.-H. Krahl anzuknüpfen und die Wechselwirkung zwischen Software- und Hardwareproduktion zu erforschen, da eben in der Hardwareproduktion der Mehrwert geschaffen wird. Und in Bezug auf die „instrumentelle Vernunft“, die die Produktivkräfte kommandiert und hemmt, muss konstatiert werden, dass die Vernunft seit dem letzten Jahrhundert in den Sog der Irrationalität geraten ist, zu der auch die institutionalisierten und instrumentalisierten Religionen gehören. Das führte mit dazu, dass Produktivkräfte sich in Destruktionskapazitäten transformierten bzw. erste in den Sog des letzteren gerieten. Dies ist auch ein Grund mehr, sich Karl Marx und seiner Methode („Kritik der politischen Ökonomie“) zuzuwenden statt das Luther-Jahr 2017 zu hypen. Allerdings sollten wir uns darüber bewusst sein, dass eine der Quellen/Wurzeln des Kommunismus die Sozialethik der Religionen ist. Dementsprechend wäre es also nicht falsch, in den Reihen derer, die z.B. innerhalb des evangelischen Kirchentages in Berlin für Abrüstung („Schwerter zu Pflugscharen“ / „Panzer zu Waffeleisen“) sowie radikale soziale Gerechtigkeit zu werben. Dies auch, weil: Viele Gläubige sind Arbeitende, die deshalb selbst unter den neoliberalen Zumutungen leiden
Es gibt noch einen Lichtblick: Nächstes Jahr wird es um „200 Jahre Karl Marx“ gehen und wie ich gehört habe, soll es dazu viele Veranstaltungen geben. Immerhin: Im nächsten Jahr wird keine Konkurrenz mit Martin Luther mehr geben!